Sunday, June 9, 2013

Die Belichtungszeit

Nach meinem Artikel über die Blende kommt heute das Kapitel "Die Belichtungszeit".

Die Blende hat eine große Auswirkung auf das Bild. Aber die Zeit hat es eben auch. Beide haben Auswirkungen aufeinander.


Eines wird schnell klar: Wenn sich etwas bewegt, dann spielt Zeit eine Rolle. Jeder kennt Bilder, in denen sich etwas bewegt und deshalb das Bild nicht scharf ist.

Was sich bewegt? Oft das Motiv - Kinder, Tiere, Partygäste, Fahrzeuge und so weiter.

Nicht selten auch die Kamera oder der Fotograf. Das kann Verwackeln sein, bewußtes Mitziehen oder Versetzen, Fotografieren aus der Bewegung heraus (aus dem fahrenden Auto, Zug, etc.)

Und jetzt ist natürlich jedem klar: Bewegung wollen wir nicht im Bild, oder?

Nein, nicht ganz. Bewegung wollen wir oft nicht sichtbar im Bild. Manchmal aber schon.

Was wir nicht wollen, sind verwackelte Bilder, also Bilder, die unscharf sind, weil die Kamera gewackelt hat.

Was wir in der Regel auch nicht wollen, sind Motive, die sich so schnell bewegt haben, dass das Motiv nicht mehr erkennbar ist.

Manchmal wollen wir aber gerade diese Bewegung des Motivs durch das Foto abbilden. Oft dann, wenn das Bild durch die Bewegung nicht zerstört, sondern verstärkt wird.

Will ich keine Bewegung im Bild abbilden - weder die der Kamera noch die des Objektes, dann muss ich eine möglichst kurze Belichtungszeit - oder zumindest eine ausreichend kurze Zeit - wählen.




Hier saß das Eichhörnchen mal still. Da ist aber trotzdem eine recht kurze Belichtungszeit nötig.




Das Bild ist scharf, die Flügel des Vogels sind es nicht. Vogelschwingen sind unglaublich schnell. Zu schnell für diese Belichtungszeit. Ich mag die Dynamik in dieser Aufnahme, die nur durch die bewegten Flügel entstehen. Da sich die Flügel um ein vielfaches schneller bewegen als der Kopf der Meise, ist auch der Kopf und Körper relativ wenig von der Bewegungsunschärfe betroffen.

Auf der anderen Seite kann man mit einer besonders kurzen Belichtungszeit nämlich Bewegungen einfrieren. Durch die Luft fliegendes Wasser, einen springenden Menschen, eine Flugpose eines Vogels, etc.
Der Arm und der Geigenbogen sind in der Bewegung abgebildet, während das übrige Bild zwar keine hohe Qualität hat, aber noch eine realtiv hohe Schärfe. Dieses hier wäre natürlich viel besser möglich gewesen.
Durch eine etwas längere Belichtungszeit verwischen die Strukturen des Wassers relativ weit.

Die Küstenseeschwalbe bewegt sich schnell und schießt von der Wasseroberfläche aus wieder nach oben. Man sieht in der Luft noch einzelne Tropfen und die Flügel werden scharf abgebildet, weil die Belichtungszeit kurz war.

Geht man mit den Belichtungszeiten über das "normale" hinaus, also bewußt kürzer oder länger, so fängt man oft Bilder ein, die das menschliche Auge nicht sehen kann.

Als Faustformel kann man sich ohnehin merken, dass Bilder dann interessanter werden, wenn sie nicht dem Üblichen entsprechen, was unsere Augen jeden Tag sehen.

Ob es nun ein interessantes Motiv ist, ein gutes Licht- und Schattenspiel oder eben eine eingefrorene oder verwischte Bewegung... Fotografie kann mehr als das festhalten, was wir sehen.



Natürlich hat die Belichtungszeit auf das Bild auch anderen Einfluss.

Läßt man alle anderen Einstellungen unverändert - beispielsweise im manuellen Kameramodus - dan wird das Bild bei kürzerer Belichtungszeit dunkler, bei längerer Zeit heller.





Ein Klassiker sind Bilder von Wasser. Hier kann ich - je nach Motiv und Intention - entscheiden, was ich gern zeigen möchte: weiches, strömendes Wasser oder einzelne Tropfen in der Luft.




Bei diesen beiden Bildern habe ich mit einem Blitz nachgeholfen.

Fotografiert man zB einen Wasserfall, dann hat man beide Möglichkeiten: Man kann die einzelnen Tropfen in den Vordergrund stellen oder den weichen Vorhang des strömenden Wassers.


mittlere Belichtungszeit, das Wasser strömt, aber es nicht "seidig" geworden.





Die lange Belichtungszeit läßt das strömende Wasser zu Schleiern werden.




 

Durch eine lange Belichtungszeit kann man auch die Wasseroberfläche des Meeres (bei leichten Wellen) und eines Sees "glatt ziehen".



Fotografiert man Menschen oder Tiere, dann will man i.d.R. die Person scharf abbilden und zwar so, dass man sie wiedererkennt.

Selten will man Bewegungen verwischen. Bei einer Tänzerin z.B. kann aber gerade das das Ziel sein: Die Tanzbewegung durch Bewegungsunschärfe einzufangen.


Ich habe die Kamera auf ein Stativ gestellt, die Belichtung recht lang eingestellt und dann die Schnürsenkel fallen lassen, während ich auslöste. Das Motiv ist dadurch scharf an den Stellen, die sich nicht bewegen (Schuh) und unscharf (Bewegungsunschärfe) an den Stellen, die in Bewegung waren.










Ich möchte nebenbei mal ein Bild zeigen, bei dem eine Person vollkommen unscharf - durch Eigenbewegung - im Bild ist. Ich wollte die beiden im Hintergrund durchfahrenden Taxen in Bewegung einfangen und habe daher in NYC bei Nacht mit einer recht langen Belichtungszeit gearbeitet. Dieser Mann lief in den Vordergrund und im ersten Moment flucht man innerlich, aber dann habe ich ein zweites Mal hingesehen.

NYC, Dezember 2011


Manchmal kann man sich auch mit der Kamera bewegen. Manchmal.
Hier stand ich im Flughafen München auf einem Transportband und habe eine relativ lange Belichtungszeit eingestellt.
 




Dieses Foto habe ich mit meinem Handy gemacht. Während der Zug einfährt, steht die junge Frau still. Das Foto wäre mit einem stehenden Zug nicht halb so interessant.



Die Belichtungszeit hat also einen wirklich großen Einfluss auf viele Bilder. Bei einem Stillleben ist es allerdings (eigentlich) völlig egal, wie lange ich belichte. Da kann ich die "richtige" Belichtungszeit mit der (für meinen Geschmack) gerade opitmalen Blende und einer möglichst niedrigen ISO (für geringes Rauschen) wählen.

Das ist natürlich nur ein grober Überblick über die Möglichkeiten der Belichtungszeit.



Details gibt es in allem, natürlich auch hier.

Aber letztlich ist die Wirkung der Belichtungszeit normalerweise besser zu verstehen, als die Wirkung der Blende.

Beide bedingen sich gegenseitig, denn eine offene Blende läßt viel Licht hinein, also belichte ich kürzer. Eine weiter geschlossene Blende braucht eine längere Belichtungszeit.

Details dazu habe ich im Artikel über die Blende schon beschrieben.



 


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